Donnerstag 25. April 2024
Predigten

Liebe überwindet die Ferne

(aus der Predigt von Prior P. Maximilian zur Christmette, 24. Dezember 2009)

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Fragen sie sich auch manchmal: In welcher Zeit lebe ich eigentlich? - Und was ist das für eine Welt, die ich mein Zuhause nenne?

 

Wir leben doch in einer Zeit, in der wir uns scheinbar näher gekommen sind. Der technische Fortschritt ermöglicht es uns, uns innerhalb weniger Stunden an einen ganz anderen Ort unseres Globus zu begeben; die Frage des Arbeitsplatzes hat sich radikal verändert: für manche ist es zur Routine geworden ihren Arbeitstag in Brüssel zu erledigen und abends wieder daheim zu sein. Oder das „World Wide Web", eine für uns alle längst zur größten Selbstverständlichkeit gewordenen Einrichtung, die wie ein Auto oder ein Kühlschrank zu jedem Haushalt gehört. Im Nu sind wir mit unseren Freunden in Australien oder mit den ausgewanderten Familienangehörigen in Brasilien verbunden; und das vielleicht auch noch mobil im Auto oder im Zug. - Eine Reise zu planen, einen Vortrag vorzubereiten oder einzukaufen bedeutet heute vor allem: sich an den Computer zu setzen und die richtigen Seiten aufzurufen. Und schließlich: noch nie gab es so viele Konferenzen auf internationaler Ebene, die sich der Politik-, der Umwelt- und der Religionsfragen annehmen.

Unglaublich, diese Möglichkeiten des Zusammenrückens!

 

Und doch stellt sich die Frage:

Hat sich dadurch die Lage wirklich zum Besseren verändert, sind wir uns dadurch wirklich näher gekommen? - Ein nüchterner Blick sagt uns, dass zwar der Wohlstand in einigen Teilen der Erde gestiegen ist, damit aber auch bei vielen die Entfremdung voneinander und ein Gefühl der Überforderung und Verlorenheit eingetreten ist. - Ja, es scheint regelrecht so zu sein, dass wir uns durch die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, das Leben zu gestalten ein mehr an Kälte und Orientierungslosigkeit Einzug gehalten hat und wir uns fremder geworden sind.

Am Handy immer erreichbar zu sein erzeugt Stress und enthebt uns irgendwie dem Ort, wo wir gerade sind. Mit Menschen zu chatten, die man nie zu Gesicht bekommt anstatt den Menschen mit Gesicht neben mir eine gemeinsame Zeit zu widmen ist schon irgendwie seltsam. Fremde Länder zu bereisen und die Schönheiten der eigenen Heimat nie zu Gesicht zu bekommen stellt doch vieles in Frage. Bei internationalen Konferenzen nur auf den eigenen Standpunkt und auf den eigenen Vorteil zu pochen führt zur regelmäßiger Ergebnislosigkeit und damit Frust. Und, und, und ...

 

Nein, in dieser Predigt geht es mir nicht darum, den technischen Fortschritt als gemeinhin schlecht abzutun, das wäre mehr als heuchlerisch, denn ich bin selbst einer, der vieles gerne nützt, aber auch daran leidet.

 

Es geht mir in dieser Predigt darum, die Illusion anzusprechen, die wir täglich mit uns herumtragen: dass wir allein - durch noch so große Kraftanstrengung - unsere Welt zum Besseren verändern könnten, dass das Heil in unserem Schaffen liegt.

Mich erinnert unser vergebliches Mühen an die Strafe des Sisyphos wie sie Homer in der Odyssee beschreibt:

"Und weiter sah ich den Sisyphos in gewaltigen Schmerzen: wie er mit beiden Armen einen Felsblock, einen ungeheuren, fortschaffen wollte. Ja, und mit Händen und Füßen stemmend, stieß er den Block hinauf auf einen Hügel. Doch wenn er ihn über die Kuppe werfen wollte, so drehte ihn das Übergewicht zurück: von neuem rollte dann der Block, der schamlose, ins Feld hinunter. Er aber stieß ihn immer wieder zurück, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus."

Denken wir da nicht an die Worte Gottes nach dem Sündenfall: "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden."

Ist das unser Schicksal?

Ich glaube - und dieses Wort ist groß geschrieben - seit Weihnachten: nein, das ist nicht unsere Bestimmung!

 

Es stimmt, wir leben nicht im Paradies und jeder Tag ist mit viel Mühe verbunden; aber zu glauben, dass das alles ist, wäre fatal! - Weihnachten lehrt uns einen neuen Blick auf unsere Existenz, auf unser Leben, zu werfen, weil wir eingeladen sind, auf Gott zu schauen:

Und was sehen wir? - Wir sehen ein Kind, das uns in aller Stille - ohne einem kitschigen Lied im Hintergrund - und in allem Ernst zusagt:

Ich liege deinetwegen in dieser Krippe und ich liebe Dich aus ganzem Herzen. - Ich komme von Gott und bin für Dich Mensch geworden. - Ich liebe Dich so sehr, dass ich mein Leben für Dich geben werde. Ich werde den Stein deiner Sünde nach Golgotha hinaufwälzen und in den Augen der Menschen als Versager dort sterben. Und doch wird das der Beginn einer neuen Zeitrechnung: dass die Liebe Gottes stärker ist als alles andere. - Ahnst Du nun, welchen Wert Du für mich hast und welche Fragen ich Dir stellen möchte? - Ich weiß, Du hast Dich verloren in den tausend Aufgaben, die Dir Dein Leben stellt, in den Sorgen, die allzu groß geworden sind, in den Ablenkungen, die Dir Deine Zeit bietet. Ja, Du hast Dich selbst verloren. - Ich lade Dich ein, jetzt das Viele zu lassen und das Eine zu tun: mir zu vertrauen.

Liebe Schwestern und Brüder, wir merken, Weihnachten ist etwas ganz anderes als eine romantische Idylle fernab von unserem Alltag, denn es geht um unser Leben, das wir oft selbst nicht mehr kennen, deuten und wirklich lieben können. Wir spüren, dass wir dieses Dilemma nicht selbst überwinden können. - Wer aber kann das?

 

"Liebe überwindet die Ferne, vor allem macht sie Nähe erträglich"; dieser philosophische Gedankensplitter von Michael Rumpf trifft das Weihnachtsgeschehen punktgenau: Wer sich Jesus Christus - der Mensch gewordenen Liebe Gottes - öffnet wird die Erfahrung machen, dass sie die unüberbrückbare Distanz überwindet, die Traurigkeit eines schal gewordenen Lebens fortbläst und eine echte Nähe zum Leben schafft, zu Deinem Leben. Amen.

 

 1. Lesung: Jes 9,1-6 - 2. Lesung: Tit 2,11-14 - Evangelium: Lk 2,1-14

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