 |
WAS glauben wir?
Papst Johannes Paul II. hat bei seinem Besuch in der Synagoge von Rom im Jahr 1986 folgendes gesagt: "Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas Äußerliches, sondern gehört in gewisser Weise zum Inneren unserer Religion. Zu ihr haben wir somit Beziehungen wie zu keiner anderen Religion. Ihr seid unsere bevorzugten Brüder, und so könnte man gewissermaßen sagen, unsere älteren Brüder."
Damit ist Wesentliches gesagt.
Als Christen glauben wir an den Gott Jesu. Dieser Gott ist nicht abstrakt, keine philosophische Idee, kein unbeschriebenes Blatt. Er ist der Gott Israels, der Gott, der dieses Volk erwählt hat und der sich in der Geschichte dieses Volkes zu erkennen gab. All das lesen wir im alten Testament. Es ist somit auch Teil unserer eigenen Geschichte.
Für Juden und Christen besteht diese Einzigartigkeit darin, dass dieser Gott ein zutiefst personaler, ein leidenschaftlicher, ja liebender Gott ist. Die Göttlichkeit des Gottes Israels und des Gottes Jesu besteht gerade nicht darin, sich fein aus allem Irdischen herauszuhalten, unbewegt über den Dingen zu stehen, sondern sich aus Liebe auf die menschliche Geschichte einzulassen, sich berühren zu lassen, ja sogar: zu leiden! In diesem Sinn kann man meiner Meinung nach nur im Zusammenhang mit dem Judentum sagen: Wir glauben an denselben Gott!
Diese fundamentale Gemeinsamkeit im Gottesglauben zeigt sich auch darin, dass das Judentum die einzige Religion ist, mit der wir eine gemeinsame Heilige Schrift haben. Unser Altes Testament ist gleichzeitig die Heilige Schrift des jüdischen Volkes. Die Glaubenszeugnisse Israels, die in diesen Schriften gesammelt sind, nähren auch unseren christlichen Glauben.
So glauben wir mit Juden zusammen an denselben Gott, auch wenn wir ihn im Unterschied zu Juden als Vater, Sohn und Heiligen Geist anbeten.
Fr. Andreas Remler
|
 |
WIE glauben wir?
Für mich ist es sehr erschütternd zu merken und zu registrieren, dass es auch in der Moderne immer noch Facetten und Formen von Antisemitismus gibt. Oft bemerke ich im Gespräch mit jungen Menschen, auf welch unüberlegtem, angenommenem und unreflektiertem Fundament diese Wesenshaltungen stehen.
Antisemitismus präsentiert sich meines Erachtens heute in einem neuen Gewand. Beispielsweise stimmten in einer Studie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF)", die von Prof. Wilhelm Heitmeyer (Universität Bielefeld) geleitet wurde, 21% der Befragten im Jahr 2005 der klassischen antisemitischen Aussage: „Juden haben zu viel Einfluss" eher oder voll und ganz zu, 13% waren weiters der Ansicht, „durch ihr Verhalten sind die Juden an ihren Verfolgungen mitschuldig" und ein Jahr zuvor stimmten 62,2% der Aussage zu: „Ich bin es leid, immer wieder von den deutschen Verbrechen an den Juden zu hören." Das ist jedoch kein Einzelfall in Deutschland. Auch in anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Österreich, Frankreich oder Belgien, sind antisemitische Vorurteile weit verbreitet.
Ich denke, dass hier unsere Haltung als Christen in unserer pluralen Welt und Gesellschaft eine andere und verinnerlichte sein sollte. Denn das Christentum wurzelt in der jüdischen Religion. Und wenn wir im Jahr des Glaubens, gemäß dem Motto: „Auf Christus schauen“ (Papstbesuch in Österreich im Jahr 2007), gemeinsam unterwegs sind, so heißt dies auch auf unsere Wurzeln schauen. Petrus war Jude. Die Apostel waren Juden. Maria ist ebenfalls Jüdin, und Jesus unser Bruder und Herr, ist es durch sie. Ich denke, dass wir den Wurzelstamm der uns trägt nicht vergessen dürfen, wie dies auch im Römerbrief 11, 18 zum Ausdruck kommt: „So erhebe dich nicht über die anderen Zweige. Wenn du es aber tust, sollst du wissen: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ Denn das jüdische Volk ist jenes Volk, zu dem Gott als erstes gesprochen hat, und dem seine erste Liebe gilt (vgl. Begrüßungsworte von Kardinal Christoph Schönborn am Platz „Am Hof“).
P. Altmann Wand
|